Interview mit Wechseljahreberaterin Dr. med. Konstanze Lange: „Es gibt Strategien gegen Haarausfall.“

Dr. med. Konstanze Lange ist Fachärztin für Chirurgie am Klinikum rechts der Isar in München sowie Beraterin für Frauen in den Wechseljahren. Eines ihrer Schwerpunktthemen ist die Therapie bei Haarausfall im Klimakterium. In unserem Interview erklärt sie, was betroffenen Frauen tun können – und warum niemand „da durch“ muss.

Wildschön: Frau Dr. Lange, Sie sind als Chirurgin tätig - eine zeitaufwändige und fordernde Aufgabe. Wie kommt es, dass Sie sich dennoch zusätzlich auf die Beratung von Frauen in den Wechseljahren spezialisiert haben?

Dr. Lange: Weil der Bedarf riesig und das Angebot überschaubar ist. Das Thema „Wechseljahre“ betrifft schließlich jede Frau, die das entsprechende Alter erreicht, und der Leidensdruck ist oft groß. Ich spreche aus Erfahrung: Ich selbst hatte vor einigen Jahren recht ausgeprägte Begleiterscheinungen – eine davon war fast der totale Haarverlust. Ich habe das Problem allerdings sehr gut in den Griff bekommen und möchte meine Erfahrungen jetzt weitergeben. Das Ergebnis meiner persönlichen und medizinischen Erfahrung ist ein umfassender Ansatz, der die Probleme bei der Ursache lösen und zeigen soll: Es gibt wirksame Strategien gegen Haarausfall in den Wechseljahren.

"Vielen wird gesagt, dass man halt 'da durch' müsse."

Sind alle Frauen in den Wechseljahren von Haarverlust betroffen?

Zwei von drei Frauen erleben mehr oder weniger starke Beschwerden in den Wechseljahren, jede Zweite leidet unter Haarausfall. Wir reden also über mehrere Millionen Frauen allein in Deutschland. Leider werden die Wechseljahre in der Schulmedizin trotzdem noch immer stiefmütterlich behandelt. Im Studium ist es höchstens ein Randthema, und selbst für Gynäkologen ist es nicht zwingend vorgesehen, speziell in der Beratung und Behandlung von Wechseljahrsbeschwerden ausgebildet zu werden. Viele Frauen erleben frustriert, dass ihnen bei ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt nicht nachhaltig geholfen wird. Vielen wird gesagt, dass man halt „da durch“ müsse. Oft wird bei großem Leidensdruck eher eine Depression diagnostiziert, anstatt das Thema an der Wurzel anzugehen. Die spezialisierte Wechseljahreberatung füllt diese Beratungslücke. Frauen müssen eben nicht „da durch“, denn es gibt passende Therapieansätze. Eine Vorreiterin ist die Frauenärztin und Bestseller-Autorin Sheila de Liz, mit der ich bei diesem Thema zusammenarbeiten darf. Das große öffentliche Interesse an Sheilas Büchern und Vorträgen – auch in Gesellschaft und Politik – weckt die Hoffnung, dass das Thema zukünftig mehr Aufmerksamkeit erfahren wird.

"Ich rate allen Frauen, die von Haarausfall in den Wechseljahren betroffen sind, nicht den Mut verlieren."

Wodurch wird Haarverlust in den Wechseljahren eigentlich ausgelöst?

Haarausfall kann selbstverständlich viele Ursachen haben, aber er wird bei Frauen in diesem Alter hauptsächlich durch hormonelle Veränderungen verursacht, die während dieser Lebensphase auftreten. Wenn die Eierstöcke aufhören, Östrogen und Progesteron in ausreichender Menge zu produzieren, kann dies ein Ungleichgewicht der Hormone im Körper auslösen, was wiederum zu Haarausfall führen kann. Ich rate allen Frauen, die von Haarausfall in den Wechseljahren betroffen sind, nicht den Mut verlieren. Es gibt effektive Möglichkeiten, um das Problem zu behandeln oder zumindest zu mildern. Eine gezieltes Erstgespräch, um die genaue Ursache des Haarausfalls zu ermitteln, ist der erste Schritt bei der Behandlung. Von dort aus können verschiedene Maßnahmen vereinbart werden. Ein Baustein könnte die Hormonersatztherapie mit bioidentischen Hormonen sein, bei der wir versuchen, das beschriebene Ungleichgewicht wieder in Balance zu bringen.

Dr. Lange berät eine Patientin

 

Hormontherapien haben nicht gerade den besten Ruf. Wieso raten Sie dennoch dazu?

Der schlechte Ruf der Hormontherapie für Frauen in den Wechseljahren ist zu einem großen Teil auf eine einzelne Studie aus dem Jahr 2002 zurückzuführen, bei der einige schädliche Effekte festgestellt wurden. Allerdings wurden in dieser Studie ausschließlich synthetische Hormone verwendet und eine deutlich ältere Gruppe beobachtet. In der modernen Hormontherapie setzen wir heute allerdings auf naturidentische Hormone, die mit denen im weiblichen Körper absolut identisch sind. Viele Studien haben seitdem belegt, dass diese bioidentischen Hormone, richtig angewandt, dem Körper helfen, das hormonelle Gleichgewicht wiederherzustellen und auch nachgewiesener Maßen ein benefit für das weitere Leben sind. In meiner beruflichen Praxis habe ich damit sehr gute Erfahrungen gemacht, und ich kann jeder betroffenen Frau nur raten, sich über dieses Thema zu informieren. Der schlechte Ruf der Hormontherapie ist heutzutage unberechtigt.

"Auch heute ist das Bürschteln noch immer ein fester Teil meiner täglichen Routine"

Welche Möglichkeiten haben die betroffenen Frauen jenseits der Hormontherapie?

Auch wenn es banal klingt: Für mich ist das „Bürschteln“ einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren. Damit sich auch die Leserinnen außerhalb von Süddeutschland angesprochen fühlen: Es geht um das Bürsten der Haare, genauer: der Kopfhaut. Die Kopfhaut ist mit zahllosen Gefäßen durchzogen, durch die die Haarfollikel, in denen das Haar wächst, mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird. Durch die ausgiebige „Massage“ der Kopfhaut mit einer Bürste mit Naturborsten wird die Durchblutung und damit die Versorgung angeregt, was zu Haarwachstum führt. Gleichzeitig werden die Poren der Kopfhaut mechanisch von Verunreinigungen befreit, die das Haarwachstum stören können. Ich persönlich habe dies als eine der wirkungsvollsten Maßnahmen gegen den Haarausfall in den Wechseljahren erlebt. Auch heute ist das Bürschteln noch immer ein fester Teil meiner täglichen Routine.

Also kommt es beim Haarausfall auf die Kopfhaut an, nicht auf die Versorgung des Haars selbst?

Selbstverständlich! Die Haarstruktur und -festigkeit können Sie maximal noch mit Ihrer Ernährung beeinflussen. Auch wenn Ihnen jede Ärztin und jeder Arzt diese Ratschläge gibt und Sie es vielleicht nicht mehr hören können: Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung ist wichtig für einen gesunden Körper. Und die Bildung einer gesunden Haarstruktur ist eine Körperfunktion, die dann am besten funktioniert, wenn das gesamte System gut versorgt ist – um es mal etwas technisch auszudrücken. Wenn die Ernährung stimmt und die Kopfhaut gut durchblutet ist, kommt es schließlich noch auf die Gesundheit der oberen Hautschichten an: Frauen in den Wechseljahren leiden oft unter einer trockenen Haut – auch das ist eine Begleiterscheinung der hormonellen Umstellung. Auch das kann den Haarausfall verschlimmern. Es ist daher wichtig, keine Haarpflegeprodukte zu verwenden, die die Kopfhaut zusätzlich austrocknen. Ich rate daher zu milden Shampoos. Bei Bedarf können feuchtigkeitsspendende oder leicht rückfettende Produkte zusätzlich die Hautgesundheit unterstützen.

"Sobald die Frauen den Zusammenhang zwischen der Gesundheit der Kopfhaut und dem Haarwachstum verstanden haben, sind sie dazu bereit, ihre Gewohnheiten umzustellen."

Viele Frauen halten seit Jahren an ihre Haarpflegeroutinen fest – teilweise seit Jahrzenten. Da ist der Rat zum Umstieg sicher nicht immer willkommen.

Da ist tatsächlich bei fast jedem Beratungsgespräch ein Thema. Man hat sich natürlich an die praktischen Alltagshelferlein gewöhnt, die nicht zuletzt dabei helfen, die unausweichlichen Spuren des Alterns etwas zu verschleiern. Viele Frauen, die in die Wechseljahre kommen, helfen beispielsweise ihrer Haarfarbe auf die Sprünge – mit chemischer Haarfärbung. Auch hier gibt es allerdings natürliche Alternativen, mit denen sich wunderschöne Ergebnisse erzielen lassen. Synthetische Inhaltsstoffe in vielen Haarpflegeprodukten machen das Haar zudem so schnell weich und kämmbar, ohne großen Aufwand. Davon muss man sich erstmal trennen können – gar nicht so einfach! Sobald die Frauen den Zusammenhang zwischen der Gesundheit der Kopfhaut und dem Haarwachstum verstanden haben, sind sie normalerweise auch dazu bereit, ihre Gewohnheiten umzustellen und in der Haarpflege auch Produkte zurückzugreifen, die etwas weniger convenient sind – also beispielsweise auf milde Naturprodukte. Die Haut gewöhnt sich meistens innerhalb weniger Tage oder Wochen an die neue Pflege.

Können Sie mit Ihrem Ansatz allen Frauen helfen?

Mein Eindruck ist, dass allen Frauen mit einer guten Beratung in den Wechseljahren geholfen werden kann. Ob das bedeutet, dass sich für die Frauen nichts ändert? Natürlich nicht! Die Wechseljahre sind ein vollkommen natürlicher Prozess, der eine ganz neue Lebensphase einläutet – mit eigenen Herausforderungen, aber auch sehr schönen, starken Seiten. In der Beratung kann ich dabei helfen, die Herausforderungen in den Griff zu bekommen, auch die rund um den Haarverlust. Das ist ein sehr schönes Gefühl.

Frau Dr. Lange, vielen Dank für das Gespräch!

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